
Blut, Begehren und Geschichte: 10 Vampirfilme, die wie „Blood & Sinners“ mehr als nur Horror bieten

Arabella Wintermayr
Blood & Sinners, der neue Film von Ryan Coogler (Creed), fühlt sich in einer Blockbusterlandschaft voller Franchises und Prequels wie ein kleines Wunder an.
Erzählt wird von zwei Brüdern (Michael B. Jordan in einer Doppelrolle), die nach Jahren der Abwesenheit in ihre Heimatstadt im ländlichen Mississippi zurückkehren, um ein Juke Joint zu eröffnen – eine Bar, ein Zufluchtsort, ein Versprechen.
Was als atmosphärisches Südstaatendrama beginnt, verwandelt sich zur Hälfte des Films in ein blutig-stilisiertes Vampir-Horrorstück. Blood & Sinners steht in einer langen Tradition kluger, atmosphärischer Vampirfilme, die weit über den reinen Schock hinausgehen. Wer sich nach weiteren Filmen sehnt, die Horror mit Geschichte verweben und/oder stilistisch besonders bemerkenswert sind und dabei nicht auf ihre genretypischen Freuden verzichten, wird in diesen zehn Werken fündig.
10. Black as Night (2021)
Diese Blumhouse-Produktion erzählt von einem jungen schwarzen Mädchen in New Orleans, das gegen eine Vampirplage kämpft, die besonders die marginalisierten Bewohner der Stadt trifft. Die Geschichte verwebt Coming-of-Age mit Sozialkritik und klassischen Horrorelementen. Black as Night ist stilistisch nicht so radikal wie manche anderen Werke auf dieser Liste, kombiniert allerdings Themen wie Gentrifizierung, Rassismus und Selbstermächtigung effektvoll mit leichtfüßigen Genre-Spaß.
9. Ganja & Hess (1973)
Ein Meilenstein des Black Cinema, der heute oft als intellektueller Gegenentwurf zu Blacula (1972) bezeichnet wird. Bill Gunns experimenteller Horrorfilm erzählt von einem Anthropologen (Duane Jones, bekannt aus Night of the Living Dead), der durch ein altes Ritual zum Vampir wird. Ganja & Hess ist keine einfache Kost: Der Erzählrhythmus ist elliptisch, die Struktur fragmentiert, die Symbolik reich. Themen wie Sucht, Kolonialismus und afroamerikanische Identität werden hier allerdings durch ein Genremedium erforscht, das selten so konsequent eingesetzt wurde.
8. From Dusk Till Dawn (1996)
Was als Outlaw-Thriller beginnt, wird zur blutigen Vampir-Schlachtplatte in einem mexikanischen Stripclub. Robert Rodriguez und Quentin Tarantino liefern hier ein Hybridwerk zwischen Exploitation und Dialogkino, in dem Gewalt, Genre-Bewusstsein und Popkulturzitate kollidieren. Salma Hayeks legendärer Auftritt als Vampirin Santanico Pandemonium gehört zu den ikonischsten Momenten des Vampirkino der 90er. From Dusk Till Dawn ist alles andere als subtil – aber genau das macht seinen Reiz aus. Wer bei Blood & Sinners den genretypischen Spaß mochte, findet hier so etwas wie die grelle B-Seite davon vor.
7. Königin der Verdammten (2002)
In dieser losen Adaption von Anne Rice-Romanen wird der Vampir Lestat (Stuart Townsend) zum Rockstar – und ruft mit seinem Sound die uralte Vampirkönigin Akasha (Aaliyah) aus dem Schlaf. Aaliyah spielt sie als ätherisches, dominantes Wesen, das die Weltherrschaft an sich reißen will. Königin der Verdammten ist kein Kritikerliebling, aber seine Ästhetik – halb MTV, halb Mythos – macht ihn zu einem spaßigen popkulturellen Artefakt mit Musik von „Korn“-Sänger Jonathan Davis. Wie Blood & Sinners bringt er PoC-Präsenz in ein oft weiß dominiertes Genre ein.
6. Blut an den Lippen (Daughters of Darkness, 1971)
Die belgisch-französische Koproduktion von Harry Kümel ist ein Paradebeispiel für europäische Vampirästhetik der 1970er Jahre. Delphine Seyrig spielt die gräfliche Vampirin Elisabeth Báthory, die mit ihrer weiblichen Begleiterin durch Luxushotels an der belgischen Küste streift – stets auf der Suche nach jungem Blut. Der Film ist mehr Erotikthriller als Horror, mehr Stilkino als Schocker. Der queere Subtext ist offensichtlich, der Einfluss auf spätere Werke wie Begierde (1983) oder Only Lovers Left Alive (2013) kaum zu übersehen. Wie Blood & Sinners nutzt Blut an den Lippen das Vampirmotiv, um über Kontrolle von Körpern zu erzählen – hier mit einem Fokus auf Gender-Aspekte.
5. Bram Stoker’s Dracula (1992)
Francis Ford Coppolas opulente Neuverfilmung des Vampirklassikers ist ein visuelles Fest – barock, überbordend, erotisch. Gary Oldman spielt den Grafen als tragisch Liebenden, der quer durch Jahrhunderte reist, um seine verlorene Liebe wiederzufinden. Keanu Reeves, Winona Ryder und Anthony Hopkins komplettieren den hochkarätigen Cast. Bram Stoker’s Dracula bedient sich klassischer Bühnentricks und analoger Effekte, was dem Film eine traumartige, fast theatralische Qualität verleiht. Coppola gelingt es, Horror, Historie und Leidenschaft in einer Art Oper des Schreckens zu verbinden.
4. Begierde (1983)
Tony Scotts Horror-Drama ist weniger ein Vampirfilm im klassischen Sinn als ein audiovisuelles Kunststück über Zeit, Begehren und Verfall – erzählt in der Sprache der Musikvideos und des New-Wave-Stils. Catherine Deneuve als Vampirin Miriam lebt mit ihrem Geliebten (David Bowie) in morbidem Luxus, bis dieser plötzlich zu altern beginnt. Die Begegnung mit der Ärztin Sarah (Susan Sarandon) führt zu einer neuen Dynamik – und einer fatalen Verführung. Begierde ist atmosphärischer High-Style-Horror, ein elegischer Abgesang auf das Versprechen der Unsterblichkeit.
3. Durst - Thirst (2009)
Park Chan-wooks koreanischer Beitrag zum Vampirgenre ist ebenso exzessiv wie kunstvoll. Ein katholischer Priester wird durch eine medizinische Studie zum Vampir und verliert zunehmend die Kontrolle über seine Gelüste. In Thirst trifft Blutdurst auf Schuldkomplex, Begehren auf Moral. Die visuelle Komposition ist meisterhaft, von der Farbgebung bis zur Kameraführung. Park Chan-wook verwandelt die Erzählung in ein moralphilosophisches Kammerspiel, in dem sich Körperlichkeit, Verlangen und Gewalt auf radikale Weise verschränken. Zugleich bleibt der provokante Film unterhaltsam – ein Balanceakt zwischen Arthouse und Splatter.
2. A Girl Walks Home Alone at Night (2014)
Ana Lily Amirpours iranischer Vampir-Western ist ein stilistisches Unikat. In einer fiktiven Geisterstadt namens „Bad City“ durchstreift eine verschleierte Vampirin auf einem Skateboard die Nacht. In kontrastreichem Schwarz-Weiß gedreht, verbindet der Film Westernmotive mit feministischem Horror und postpunkigem Flair. Die Dialoge sind minimalistisch, die Atmosphäre dicht. Amirpour setzt auf starke Bilder und subtile politische Kommentare, etwa zu Geschlechterrollen, Isolation und Macht. A Girl Walks Home Alone at Night ist kein lauter Film, aber einer, der lange nachhallt – poetisch, rätselhaft und kompromisslos eigen.
1. Interview with the Vampire (Serie, 2022–)
Diese Neuinterpretation des Klassikers von Anne Rice überrascht mit einer queeren Liebesgeschichte, kritischem Blick auf Kolonialismus und einer düsteren, opernhaften Bildsprache. Die Serie verlegt die Ursprungsgeschichte in das New Orleans der 1910er Jahre und macht Louis (Jacob Anderson) nicht nur zu einem Vampir, sondern zu einem Schwarzen Unternehmer, der vom europäischen Dandy Lestat (Sam Reid) in ein neues, “unheiliges” Leben gezwungen wird. Der Kontrast zwischen der opulenten Ausstattung und der existenziellen Schwere der Erzählung macht Interview with the Vampire zur klügsten und poetischsten Vampirserie der letzten Jahre – sensibel, politisch und trotzdem genussvoll und sinnlich.
Blut, Begehren und Geschichte: 10 Vampirfilme, die wie „Blood & Sinners“ mehr als nur Horror bieten
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