Die Oscars sind die prestigeträchtigsten Auszeichnungen, die die Filmindustrie zu bieten hat. Gerade weil sie als höchste Ehre gelten, werden die Entscheidungen der Academy mit scharfem Blick von einer cinephilen Öffentlichkeit verfolgt – und oft ebenso scharf kritisiert.
Oft ist dann von einem „Snub“ die Rede. Gemeint ist die (mitschwingend: ignorante) Missachtung eines Werks oder einer Leistung, die zwar allgemein oder persönlich als einer Auszeichnung würdig erachtet wird, doch am Ende leer ausgeht.
In diesem Jahr etwa wurde Luca Guadagninos „Queer“ bereits bei den Nominierungen völlig übergangen – was besonders im Hinblick auf die herausragende schauspielerische Leistung von Daniel Craig eine herbe Enttäuschung ist.
Dieser Oscar-Snub reiht sich in eine lange Liste von (noch deutlich weniger nachvollziehbaren) Entscheidungen, die die Academy im Laufe der Jahrzehnten getroffen hat. Auch wenn viele dieser Filme, Regisseure und Schauspielerinnen mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Filmgeschichte gehören, bleibt die Frage: Wie konnten sie nur übersehen werden?
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf zehn der größten Oscar-Snubs aller Zeiten. Und für alle, die sich nach diesen übergangenen Meisterwerken sehnen, zeigen die Übersicht am Ende des Textes, wo man die betroffenen Filme aktuell streamen kann.
Die 10 größten Oscar-Snubs
10. „The Zone of Interest“, „Poor Things“ und „Anatomie eines Falls“ verlieren gegen „Oppenheimer“ als „Bester Film“ (2024)
Die Entscheidung, die die Academy 2024 in der Kategorie „Bester Film“ traf, fühlt sich wie ein einziger, großer Snub an. Nicht, weil der letztliche Gewinner „Oppenheimer“ ein schlechter Film wäre, sondern weil nahezu jeder der anderen nominierten Beiträge spannender, mutiger, innovativer, tiefgründiger, origineller war – anders ausgedrückt: Es schlicht mehr verdient hätte.
Stattdessen entschied sich die Academy für ihren bewährten Lieblingscocktail: ein Historienepos über einen bedeutenden Mann, inszeniert von einem etablierten Regisseur – stilvoll durchaus, aber ohne narrative Risiken.
„The Zone of Interest“? Ein meisterhaftes Experiment in Kälte und Distanz von historischer Bedeutung, das das Publikum mit einer ebenso gewagten wie beklemmenden Inszenierung mitreißt. „Poor Things“? Ein abwegiges, feministisch aufgeladenes Frankenstein-Märchen mit einer Botschaft von grotesker Schönheit. „Anatomie eines Falls“? Ein psychologisch brillantes Drama, das sich so tief in moralische Grauzonen verstrickt, dass man am Ende das Wesen der Wahrheit selbst in Frage stellt.
Aber nein, die Academy entschied sich – mal wieder – für das Prestige-Biopic eines Mannes aus der amerikanischen Geschichte. Und genau deshalb steht dieser Snub hier stellvertretend für all die Male, in denen die Academy einen einzelnen Film mit Preisen („Oppenheimer“ erhielt sieben Auszeichnungen) überschüttet hat, anstatt sie auf würdige Preisträger zu verteilen.
Hollywood liebt es eben, sich selbst zu feiern: Filme über Filme, Filme über Stars, Filme über die eigene Geschichte. Viel zu oft gerät bei den Oscars in Vergessenheit, dass Kino noch so viel mehr sein kann, so viel mehr ist, als das.
9. Judy Garland hat nie einen Oscar gewonnen
Judy Garland ist eine der größten Ikonen der Filmgeschichte – eine Ausnahmekünstlerin, deren Stimme Generationen verzauberte und deren Leinwandpräsenz ihresgleichen suchte. Und doch hat auch sie nie einen Oscar für ihre Schauspielkunst gewonnen.
Dabei schien ihr Weg dorthin geradezu vorgezeichnet: Bereits 1940 erhielt sie einen Ehren-Oscar für ihre Darbietung in „Der Zauberer von Oz“ (1939), in dem sie mit „Over the Rainbow“ einen der unvergesslichsten Songs der Filmgeschichte sang. Doch dieser Ehrenpreis war lediglich eine Art von Trostpflaster für eine junge Schauspielerin, die Hollywood bereits als Star behandelte, aber nie mit der höchsten Auszeichnung würdigte.
Ihre erste reguläre Oscar-Nominierung erhielt sie 1955 als „Beste Hauptdarstellerin“ für „Ein neuer Stern am Himmel (A Star Is Born)“. In dem Film lieferte sie eine emotionale Tour de Force ab, die heute als eine der besten Darstellungen ihrer Karriere gilt – doch der Oscar blieb aus. Die Entscheidung der Academy sorgte damals für große Kontroversen, da viele Kritiker Garland als die verdiente Siegerin sahen.
Neun Jahre später folgte eine weitere Nominierung, diesmal als „Beste Nebendarstellerin“ für „Das Urteil von Nürnberg“ (1961), in dem sie in einer kleinen, aber intensiven Rolle überzeugte. Erneutt blieb sie ohne Sieg. Dass eine Schauspielerin von Garlands Kaliber mit nur zwei regulären Nominierungen auskommen musste und gerade für ihre Leistung in „A Star is Born“ keine Auszeichnung erhielt, gilt als einer der größten Snubs in der Oscar-Geschichte.
8. Cary Grant, hat nie einen Schauspiel-Oscar gewonnen
Auch Cary Grant, der vielfach die männliche Hauptrolle in Hitchcock-Filmen, wie etwa „Der unsichtbare Dritte“ (1959) übernahm, blieb eine Oscar-Auszeichnung zeit seines Lebens verwehrt. Im Laufe seiner langen Karriere wurden ihm lediglich zwei Nominierungen als bester Hauptdarsteller zu teil: Als bester Hauptdarsteller in „Akkorde der Liebe“ (1942) und „None But the Lonely Heart“ (1945)
Der Snub erscheint umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie stark Grants Einfluss auf das Kino war: Das „American Film Institute“ wählte ihn hinter Humphrey Bogart auf Platz 2 der 25 bedeutendsten männlichen US-amerikanischen Filmstars aller Zeiten. Immerhin: Im Jahr 1970 wurde ihm der Ehrenoscar für seine „einzigartigen Filmdarstellungen“ zu teil.
7. Marilyn Monroe war nie für einen Oscar nominiert
Ein Mädchen aus schwierigen Verhältnissen wird zum Sexsymbol und steigt zum Hollywood-Star auf: Dieser Werdegang bescherte Marilyn Monroe, die eigentlich Norma Jeane Mortenson hieß, schon zu Lebzeiten ihren bis heute anhaltenden Legendenstatus. Wie sehr Monroe teils mit ihrem öffentlichen Ruf haderte, beleuchtete kürzlich das verstörende Drama „Blond“ von Andrew Dominik.
Ein wesentlicher Teil ihrer Selbstzweifel: Die Reduktion auf ihr Äußeres, und die fehlende Anerkennung als professionelle Schauspielerin. Auch die Academy ließ ihr eine solche Anerkennung nicht zuteilwerden. Marilyn Monroe, die Verkörperung des Goldenen Zeitalters Hollywoods und eine der größten Leinwandikonen aller Zeiten, wurde nie auch nur für einen Oscar nominiert.
Gerade die Rolle der Sugar Kane Kowalczyk in „Manche mögen’s heiß“ (1960) wird oft als ihre beste schauspielerische Leistung angesehen und hätte eine Anerkennung verdient gehabt.
6. „In the Mood for Love“ hat keine Oscar-Nominierung erhalten (2001)
Wong Kar-Wais „In the Mood for Love“ ist ein visuelles Meisterwerk, das die zerbrechliche Schönheit unerfüllter Liebe in einer melancholischen Erzählweise und eleganten Bildwelten einfängt. Trotz seiner nahezu perfekten künstlerischen Ausführung und zahlreichen Ehrungen bei internationalen Filmfestivals, wurde das romantische Drama aber mit keinerlei Oscar-Nominierung bedacht.
„In the Mood for Love“, der oftmals als einer der besten Filme aller Zeiten und als einer der wichtigsten Werke des asiatischen Kinos genannt wird, wurde zwar als Beitrag aus Hong Kong für den besten fremdsprachigen Film eingereicht, erhielt aber auch hier keine Nominierung. Bis heute gilt es als fragwürdiges Versäumnis der Academy, Wong Kar-Wais Werk komplett zu ignorieren.
5. Stanley Kubrick hat nie einen Regie-Oscar gewonnen
Auch Stanley Kubrick, der mit Filmen wie „A Clockwork Orange“ und „The Shining“ bahnbrechende Werke schuf, die sich tief in die Kinogeschichte eingeschrieben haben, wurde nie mit dem Oscar für die „Beste Regie“ ausgezeichnet. Obwohl er viermal für den Preis nominiert wurde („Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1965), „2001: Odyssee im Weltraum“ (1969), „A Clockwork Orange“ (1972)“ und „Barry Lyndon“ (1976)) konnte er ihn nie gewinnen.
Auch wurde keines seiner Werke als „bester Film“ ausgezeichnet. Der einzige Oscar, den eines seiner Werke erhielt, war für die visuellen Effekte in „2001: Odyssee im Weltraum“. Dass der Film, der vielfach als bester Sci-Fi-Film aller Zeiten genannt wird, keine bedeutendere Auszeichnung zuteil wurde, verwundert kaum: Bis heute tut sich die Academy mit Genrekino schwer. Erst 2023 kam es zu einem erfreulichen „ersten Mal“, als Daniel Kwans and Daniel Scheinerts elffach nominierter „Everything Everywhere All at Once“ als erster Sci-Fi-Film in der prestigeträchtigsten aller Oscar-Kategorien ausgezeichnet wurde.
4. Glenn Close hat noch keinen Oscar gewonnen
Es ist ein trauriger Rekord, den Glenn Close da hält: Mit acht Nominierungen gilt sie als die Schauspielerin mit den meisten Oscar-Chancen, ohne die Auszeichnung jemals tatsächlich zu gewinnen. Für ihre Leistungen in „Eine verhängnisvolle Affäre“ (1988), „Gefährliche Liebschaften“ (1989), „Albert Nobbs“ (2012) und „Die Frau des Nobelpreisträgers“ (2019) wurde sie jeweils mit Nominierungen als beste Hauptdarstellerin bedacht.
Vor allem, dass ihr der Preis für ihr, heute Kultstatus genießenden, Darbietungen während der 1980er Jahre verwehrt blieb, gilt schwerer Snub. Auch wenn sie als eine der talentiertesten Schauspielerinnen ihrer Generation gilt, hat die Academy es bisher versäumt, ihre außergewöhnliche Leistung mit einer Auszeichnung zu ehren.
3. „Brokeback Mountain“, kein Oscar für „Bester Film“ (2006)
Ang Lee’s „Brokeback Mountain“ war ein filmischer Meilenstein, der sich mit der Liebe zwischen zwei Männern in einer homophoben Gesellschaft beschäftigte, damit die Grenzen des Mainstream-Kinos aufbrach und wahrscheinlich späteren Oscar-Gewinnern wie „Moonlight“ („Bester Film“ 2017) den Weg ebnete.
Selbst wurde „Brokeback Mountain“ zwar mit acht Nominierungen bedacht und gewann mehrere wichtige Preise, darunter den Oscar für „Beste Regie“. Doch ausgerechnet der wichtigste Preis, der Oscar in der Kategorie „Bester Film“, ging überraschend an „L.A. Crash“ von Paul Haggis.
Viele Filmkritikerinnen und -kritiker werten die Entscheidung als einen der größten Snubs der Oscar-Geschichte. Zurecht, denn „Brokeback Mountain“ hätte die Auszeichnung nicht nur wegen seiner kulturellen Bedeutung verdient, sondern war im Vergleich zum tatsächlichen Gewinner schlicht der interessantere, tiefgründigere und künstlerisch mutigere Kandidat.
2. Alfred Hitchcock hat nie einen Regie-Oscar gewonnen
Alfred Hitchcock, der Meister des Suspense und des Psychothrillers, gilt als einer der größten Regisseure aller Zeiten – einen Oscar für die beste Regie hat ihm die Academy aber nie verliehen. Zwar war er für die Inszenierung von „Rebecca“ (1941), „Das Rettungsboot „ (1944), „Ich kämpfe um dich“ (1945) „Das Fenster zum Hof“ (1954) und „Psycho“ (1960) fünffach in der Kategorie „Beste Regie“ nominiert – ging aber jeweils leer aus.
Mit „Rebecca“ wurde immerhin eines seiner Werke mit einem Oscar als „bester Film“ ausgezeichnet. Dennoch: Die Tatsache, dass Hitchcock nie diese höchste Anerkennung als Regisseur erhielt, bleibt einer der größten Snubs in der Geschichte der Academy Awards.
1. Frauen in der Kategorie „Beste Regie“ – ein ewiger Snub
Wenn es um die Historie der „Beste Regie“-Kategorie bei den Oscars geht, erweckt es bisweilen den Eindruck, als hätte die Academy erst kürzlich von der Existenz weiblicher Filmemacherinnen erfahren. Seit 1929 wurden hunderte Männer für den Regie-Oscar nominiert – und gerade einmal neun Frauen. Neun. In fast 100 Jahren Oscar-Geschichte.
Und wer hat ihn gewonnen? Nur drei Frauen:
- Kathryn Bigelow für „Tödliches Kommando - The Hurt Locker“ (2010)
- Chloé Zhao für „Nomadland“ (2021)
- Jane Campion für „The Power of the Dog“ (2022)
Das war’s. Drei Siegerinnen in fast einem Jahrhundert. Die Oscars lieben es, sich als progressiv zu inszenieren, aber wenn es um Frauen hinter der Kamera geht, läuft es nach dem Motto: Auf einen kleinen Fortschritt folgen Jahre des Stillstands. Allein in den letzten Jahren wurden etwa Charlotte Wells mit „Aftersun“ (2022) und Greta Gerwig mit „Barbie“ (2023) verdiente Regie-Nominierungen vorenthalten.
Dass Frauen herausragende Filme inszenieren, steht außer Frage. Die Academy müsste nur mal richtig hinsehen.
Die größten Oscar-Snubs – und wo man sie streamen kann
Die untenstehende Liste zeigt, bei welchen Streaming-Anbietern man die größten Oscar-Snubs aktuell streamen kann.