Filme wie „The Brutalist” und wo man sie streamen kann
„They don't make them like they used to”, wird es im englischsprachigen Raum gern geseufzt, wenn das Fehlen irgendeiner Art von Film beklagt wird. Grob übersetzt: „So etwas wird heute einfach nicht mehr gemacht”. Seufz.
Im Fall von „The Brutalist” lässt sich das allerdings mit einiger Sicherheit genau so dahinseufzen. Wann habt ihr das letzte Mal, ein fast vierstündiges Epos über das Leid von Einwanderern ODER einen entsprechend langen Film über einen von persönlichen Dämonen geplagten, jüdischen Architekten gesehen? Klingt nicht direkt nach Konkurrenz für den nächsten „Avengers”-Film, oder?
Trotzdem entwickelte sich der Film beim US-Kinostart zum Ereignis, das man gerne auf der großen Leinwand gesehen haben will. Denn der für sehr moderate $10 Millionen produzierte Film von Regisseur Brady Corbet wurde auf VistaVision gefilmt, einem Breitwandformat, das in den 1950er Jahren entwickelt wurde, um die dem neuen Medium Fernsehen verfallenen Zuschauer wieder in die Kinos zu locken.
Gut, dass der Trick noch funktioniert.
Aber natürlich funktioniert „The Brutalist” auch auf unseren ja-gar-nicht-mehr-sooooo-kleinen Flimmerkisten. Denn der Film erzählt in seiner üppigen Spieldauer eine bewegende Geschichte und von gewichtigen Themen: dem Leid von traumatisierten Migranten, der Frage nach der Wahrhaftigkeit des amerikanischen Traumes, der korrumpierenden Macht des Geldes, der Gewissenlosigkeit der Oberschicht, Antisemitusmus – kurz: einer ganzen Menge!
Wer nach „The Brutalist” allerdings noch Lust auf MEHR Epos hat, kann einen Blick auf unsere Liste mit weiteren cineastischen Kolossen werfen. Auf dieser findet ihr sowohl visuell spektakuläre Epen mit technischen Innovationen, als auch Filme, die „The Brutalist” in thematischer Hinsicht ähneln.
Filme die „The Brutalist” thematisch ähneln
Einwanderung
Hier einige Dramen, die in meist beträchtlicher Spieldauer das Schicksal von Einwanderern auf ihrer beschwerlichen Reise nach Amerika zeigen und wie es ihnen dort im gelobten Land ergeht.
1 - Der Pate - Teil II
Ein filmisches Festmahl! Man denke an die großartige Sequenz in Kuba, in der Michael Corleone den Verräter in den eigenen Reihen erkennt (es bricht mir das Herz!) und den Teil des Filmes, der von Vito Corleones Emigration in die Vereinigten Staaten erzählt. Sein Weg vom armen (aber respektierten) Migranten zum gefürchteten (aber respektierten) “Don” – man möchte die Arbeit zum Nickerchen bei den Fischen schicken und den Film anmachen.
2 - Brooklyn
Saoirse Ronan spielt eine junge Irin, die aufgrund eines Mangels an Perspektive im eigenen Land nach – aber ihr könnt euch wahrscheinlich denken, wohin sie reist. Dort findet sie Liebe und das Dilemma vieler Einwanderer: Die Wahl zwischen der alten und der neuen Heimat. Was lässt man zurück? Tränen dürften fließen.
3 - The Immigrant
In diesem wunderschön fotografierten Drama spielt Marion Cotillard eine polnische Einwanderin, die im New York der 1920er ums Überleben kämpft. Jeremy Renner und Joaquin Phoenix sind ebenfalls mit dabei in diesem atmosphärisch dichten Film. Besonders zu empfehlen für alle, die generell eine Affinität zu den Filmen von Regisseur James Gray (The Yards, Little Odessa, Helden der Nacht) haben.
4 - In einem fernen Land
Trotz ein bisschen Staub und Blut geht es in diesem dramatischen Abenteuerfilm doch recht glamourös zu. Wie auch nicht, wenn Tom Cruise und Nicole Kidman irische Migranten spielen, die Ende des 19. Jahrhunderts darum kämpfen, sich ihren Wunsch nach einem Stück Land in den USA zu erfüllen. Dabei wird geboxt, geritten und gezankt, wie es sich für ein Hollywoodepos alter Schule gehört.
5 - Emigranten und Das neue Land
Für Cineasten mit besonders viel Zeit am besten im Doppelpack zu genießen. „Emigranten” erzählt die Geschichte der beschwerlichen (mit drei Ausrufezeichen) Reise einer Gruppe von schwedischen Auswanderern in die USA. Die Fortsetzung zeigt ihr (Über-)Leben dort. Nach dem Gucken beider Filme fühlt man sich tatsächlich so, als wäre man Zeuge eines ganzen Lebens geworden. Mindestens.
6 - Die Unbezwingbaren (America America)
Elia Kazans von der eigenen Familiengeschichte inspiriertes Einwanderungsepos handelt von Stavros, einem in Anatolien lebenden Griechen, der Ende des 19. Jahrhunderts in die USA emigrieren möchte. Stavros zeigt sich dabei zu allem bereit und wer zwei Stunden und 45 Minuten ungern mit einem moralisch komplexen, manche würde sagen kompromittierten Charakter verbringen möchte, sollte sich nach einem anderen Film umsehen. Wer großes Kino von einem der besten Regisseure der Filmgeschichte schätzt, ist hier allerdings genau richtig.
Andere Themen
Neid des Talentlosen auf das Genie, Rassismus, eine korrumpierte Oberschicht – „The Brutalist“ reißt viele Themen an.
1 - Amadeus
Der zentrale Konflikt „The Brutalist“ besteht in der Dynamik zwischen dem Architekten Laszlo Toth und dem teils recht grausamen Industriellen Harrison Van Buren. Van Buren kann Toths geniale Kreationen würdigen, scheint diesen aber auch aus vielfältigen Gründen zu verachten. Eine faszinierende Beziehung, die sich in ähnlicher Form in „Amadeus” wiederfindet, in dem es der Fluch des „mittelmäßigen” Komponisten Salieri ist, das Genie Mozarts zwar erkennen zu können, selbst aber nicht über die Fähigkeiten zu des Ausnahmekünstlers verfügen. Und wie so oft führt Neid zu Missgunst…
2 - Ragtime
Wie in „The Brutalist“ spielt ein Architekt eine wichtige Rolle in „Ragtime“ – allerdings nur eine recht kurze. Dieser verschwindet nämlich recht früh aus dem Ensemblefilm, was für die Handlung aber entscheidende Folgen hat. Der Bezug zu „The Brutalist” besteht auch in der Zeichnung des Bankiers Pierpont Morgan, der ähnlich monströs daherkommt wie Van Buren in „The Brutalist” und dem Fokus auf die Unerreichbarkeit des Amerikanischen Traumes für bestimmte Menschengruppen.
3 - Giganten
Dieses Meisterwerk wird in jeder Hinsicht seinem Titel gerecht. Das Familienepos, das sich um den texanischen Rinderzüchter Jordan „Bick“ Benedict und seine Familie dreht, ist an Stellen überraschend düster und geht für einen Film aus dem Jahre 1956 ungewöhnlich scharf mit tagtäglichem Rassismus ins Gericht – anfangs auch mit dem der Hauptfigur.
4 - Reds
Die 1980er Jahre in den USA: Ronald Reagans regiert. Auf der Kinoleinwand gewinnt Rambo (2) doch noch den Vietnamkrieg. Man möchte meinen, kein sehr fruchtbarer Boden für ein 3-stündiges Epos über die Russische Revolution und ihre Verteidiger in den USA, das seinen kommunistischen Hauptfiguren durchaus Sympathie entgegenbringt. Irgendwie hat Regisseur und Star Warren Beatty das Ganze aber trotzdem auf die Leinwand gewuchtet und dabei auch noch einen Oscar für die beste Regie gewonnen.
Architektenfilme
Spielfilme, die einen Architekten als Hauptfigur haben und sich mit dessen Arbeit auseinandersetzen, gibt es nicht sonderlich viele in der Filmgeschichte. Hier zwei Exemplare, die aus unterschiedlichen Gründen interessant in Bezug auf „The Brutalist” sind:
1 - Ein Mann wie Sprengstoff (The Fountainhead)
Der herrliche deutsche Titel wird den melodramatischen Dialogen des Dramas um einen ultra-individualistischen Architekten äußerst gerecht. Die Verfilmung von Ayn Rands Roman ist herrlich überspitzt und wurde von „Brutalist”-Regisseur Brady Corbet als Inspiration genannt.
2 - Megalopolis
Francis Ford Coppolas arbeitete seit Jahrzehnten am Drehbuch zu seinem Traumprojekt und bringt es dann ausgerechnet in genau dem Jahr auf die Leinwand, in dem es NOCH einen Film über einen visionären Architekten gibt. Im Gegensatz zu "The Brutalist" spielt „Megalopolis” allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Hier gerät der von Adam Driver gespielte, gern monologisierende Protagonist mit seinen Plänen in Konflikt mit dem Bürgermeister der titelgebenden Metropole. Aber eine kurze Zusammenfassung könnte unmöglich dem wilden Treiben dieses Machwerkes des (schöpferischen?) Wahnsinns gerecht werden, das wild zwischen Farce, Parabel und Politdrama mit Science Fiction-Elementen hin- und herschwingt wie ein betrunkener Zirkusartist.
Technisch spektakuläre Epen
Hier besteht die Ähnlichkeit zu „The Brutalist“ vor allem in dem Versuch, Zuschauer durch die epische Erzählweise, das visuelle Spektakel und die damit zusammenhängende Verwendung besonderer Bildformate ins Kino zu locken.
1 - Das war der Wilde Westen
Der Anthologie-Western wurde in Cinerama gefilmt, einem extremen Breitwand-Filmformat mit einem Seitenverhältnis von 2,685:1, für das mit drei Kameras gleichzeitig gedreht werden musste und das drei Projektoren benötigte, um das Panorama-artige Bildformat zu erzeugen. Funktioniert es auch auf kleineren Bildschirmen? Ihr entscheidet!
2 - Eine total, total verrückte Welt
Generell fällt die Laufzeit einer Komödie meist geringer aus, als bei Filmen dramatischer Couleur. Diese Faustregel hat Regisseur Stanley Kramer hier ignoriert. 3 Stunden und dreißig Minuten dauert die Jagd nach gestohlenem Geld von der „Eine total, total verrückte Welt” erzählt. Die Ensemble-Komödie wurde als der erste Film vermarktet, der mit nur einer Kamera im Cinerama-Prozess gedreht wurde und anders als „Das war der Wilde Westen” mit nur einer Kamera projiziert werden konnte.
3 - Hamlet
Wenn in der Kürze die Würze liegt, stolziert dieser Prinz von Dänemark gänzlich ungesalzen auf die Bühne: Die in 70 mm gedrehte und vier Stunden und zwei Minuten dauernde Tragödie ist wohl die kompletteste filmische Adaption von Shakespeares Stück. Der auch in den kleinsten Rollen spektakulär besetzte Film beweist, dass auch ein (extra-)langer Schinken schmackhaft sein kann.
4 - Ben-Hur
Das 3,5-Stunden-Bibelepos mit Jesus in einer (immerhin wichtigen) Gastrolle wurde im MGM-Camera-65-Breitwandverfahren gefilmt. Dieses sollte die Schwächen des Cinemascope-Verfahrens der 20th Century Fox (zu sehen etwa in Das Gewand) beseitigen, namentlich, dass keine Nahaufnahmen in guter Qualität möglich waren. Wer sich an Juda Ben Hurs beziehungsweise Charlton Hestons kernig-kastanienbraunen Kiefer zu erinnern vermag, weiß: MGM war erfolgreich. Hallelujah!
5 - Barry Lyndon
Um sein Historiendrama Gemälden aus dem 18. Jahrhundert ähnlicher zu machen, filmte Regisseur und Perfektionist par excellence Stanley Kubrick Nachtszenen mit einem Spezialobjektiv der NASA, dessen eigentlicher Zweck es war, die dunkle Seite des Mondes im Blick zu haben. „Houston… wir haben absolut kein Problem, der Film sieht spektakulär aus!”
6 - Lawrence of Arabia
Das epischste aller Epen, das beste Biopic – in jeder Hinsicht einer der größten Filme aller Zeiten.
Wo man Filme wie „The Brutalist” streamen kann
Hier noch einmal alle Filme, die „The Brutalist” formal oder thematisch ähneln und wo man sie streamen kann. Benutzt gerne unsere Filterfunktion, um die Liste beispielsweise nach Bewertung (Rotten Tomatoes und IMDB) zu ordnen.