Seit der ersten Verleihung 1929 wurden fünfundneunzig Filme mit ihm ausgezeichnet: Dem Academy Award in der Kategorie „bester Film“, dem begehrtesten Preis der gesamten Oscar-Verleihung. Und die ist – obwohl sich durchaus gewisse Muster in der Auswahl der Preisträger erkennen lassen – doch immer wieder für Überraschungen gut.
Erst 2023 kam es zu einem erfreulichen „ersten Mal“, als Daniel Kwans and Daniel Scheinerts elffach nominierter „Everything Everywhere All at Once“ als erster Sci-Fi-Film in der prestigeträchtigsten aller Kategorien ausgezeichnet wurde. Wie jedes herausragende filmische Zukunftsszenario widmet sich auch diese irrwitzige Tour de Force durch das Metaversum über Umwege philosophisch-angehauchten Themen unserer Zeit. In einer wahren Bilderflut verhandeln Kwan und Scheinert nicht weniger als die Frage: „Was will ich von diesem, meinem Leben?“ und kehren dabei ganz nebenbei sowohl Absurdität als auch Schönheit des irdischen Daseins hervor.
Dass es Genrefilme abseits der Dramas bei den Academy Awards traditionell schwer haben, zeigt auch die Tatsache, dass wenige Jahre zuvor mit „Shape of Water“ erst der zweite Fantasy-Film (nach „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“) den Oscar für den „besten Film“ erhielt. Guillermo del Toros finstere Romanze um eine introvertierte Reinigungskraft, die während des Kalten Krieges in einem US-amerikanischen Geheimlabor arbeitet und sich dort in ein fischartiges Wesen verliebt, wirkt beinahe wie ein modernes Märchen um zwei Außenseiter, die miteinander ihrer Einsamkeit entkommen.
Dass sich die Academy wesentlich leichter damit tut, Werke in der Kategorie „bester Film“ zu prämieren, die Existenzielles und andere menschliche Dramen ganz unmittelbar verhandeln, verdeutlicht auch ein Blick in die Preisverleihungen der vergangenen Jahre.
Bevor mit „CODA“ im Jahr 2022 eine recht konventionell inszenierte Coming-of-Age-Erzählung um eine 17-Jährige, die in einer gehörlosen Familie aufwächst und das Singen als Mittel der Emanzipation für sich entdeckt, ausgezeichnet wurde, gewann im Vorjahr der ätherische „Nomadland“. Ein unbedingt sehenswertes Drama, in dem Frances McDormand als moderne Nomadin, die mit einem Van durch die Weiten der USA streift und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, brilliert – eine außergewöhnliche Figur, die als eindrucksvolle Symbolfigur für die Abgehängten der kapitalistischen Gesellschaft gelesen werden kann.
Der in Südkorea angesiedelte „Parasite“ von Bong Joon-ho, der mit noch größerer Dringlichkeit die Ausgebeuteten in den Fokus rückt, mag den Weg für Chloé Zhaos Erfolg geebnet haben. Dass die Verleihungen, zumindest ein Stück weit, stets die Debatten der Zeit, in der sie stattfinden widerspiegelt, lässt sich gleichsam nicht leugnen: Neben Themen ökonomischer Ungleichheit, finden sich unter den Preisträgern der vergangenen Jahre zahlreiche Filme, die sich anderweitig mit sozialer Ungerechtigkeit beschäftigen. So progressiv wie im Falle von „Parasite“, der als erster fremdsprachiger Nominierter überhaupt als „bester Film“ ausgezeichnet wurde, zeigt sich die Academy allerdings nicht immer.
Mit „Green Book“ wurde 2018 ein Biopic prämiert, das von der Kritik vielfach als „Wohlfühlfilm über Rassismus“ umschrieben wurde, während etwa Spike Lees wesentlich wagemutigerer „BlacKkKlansman“ um einen afroamerikanischen Polizisten, der verdeckt im titelgebenden „Ku-Klux-Klan“ ermittelt, das Nachsehen hatte. Mit deutlich mehr Feingefühl verhandelte „Moonlight“, der 2016 als „bester Film“ ausgezeichnete Beitrag die Thematik. In drei Kapiteln erzählt Barry Jenkins von der Identitätsfindung eines schwulen Afroamerikaners, seinem Hadern mit Einsamkeit und Selbstakzeptanz.
Egal ob man die Oscars nun als Spiegel dessen betrachtet, was die Gesellschaft gerade umtreibt, oder schlicht als Memorandum der Entwicklung der Filmkunst über die Zeit hinweg – sich näher mit den „besten Filmen“ der letzten Jahrzehnte auseinanderzusetzen, lohnt sich in jedem Fall.
Streaming-Guide: Alle Oscar-Gewinner der Kategorie „Bester Film“
Die folgende Liste enthält alle Filme, die mit einem Academy Award in der Kategorie „bester Film“ ausgezeichnet wurden in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Wir zeigen dir außerdem, wo „Parasite“, „American Beauty“, „Der Pate“ und alle weiteren Titel dieser Übersicht aktuell im Stream verfügbar sind.