Das Orakeln um die Oscars war in diesem Jahr so spannend wie lange nicht mehr. Das ist zuerst der interessanten Melange an Nominierten zu verdanken: Neben den beiden riesigen Blockbustern „Oppenheimer“ und „Barbie“, die als Doppel-Event dem Kino im vergangenen Jahr volle Säle verschafften, sowie „Maestro“ und „Killers of the Flower Moon“ als Beiträge zweier großer Streaming-Dienste, wurden auffallend viele aufregende Arthouse-Beiträge mit einer Nominierung als „bester Film“ bedacht.
Während „The Holdovers“ mit nostalgischem 70er-Jahre-Charme und einer warmherzigen Erzählung um eine ungleiche Schicksalsgemeinschaft an einem britischen Internat besticht, geriert sich Justine Triets „Anatomie eines Falls“ als ein Justiz-Thriller, wie man ihn noch nicht gesehen hat. Sandra Hüller glänzt in der komplexen Hauptrolle einer Ehefrau und Mutter, die des Mordes an ihrem Mann bezichtigt wird. Die Protagonistin in diesem vertrackten Gerichtsfilm ist allerdings eigentlich die niemals recht zu greifende Wahrheit. Und schließlich: Jonathan Glazers „The Zone of Interest“, der mit seiner eindringlichen Inszenierung der „Banalität des Bösen“ neue Maßstäbe im Erzählen über den Holocaust setzt.
Die hübsch gefilmte „Was-wäre-wenn“-Romanze „Past Lives“ und die durchaus sehenswerte Zeitgeist-Komödie „American Fiction“ fühlten sich angesichts der Strömungen, die sich unter den Nominierten in der Kategorie „bester Film“ auftaten – konventionelles Kino versus ambitionierte Ansätze – wie eine ziemlich unaufgeregte Wahl an. Aber auch die gab es in der Vergangenheit zu genüge: Man erinnere sich nur an „CODA“, der sich 2022 gegen „Drive My Car“ ebenso durchsetzte wie gegen „Dune“.
Yorgos Lanthimos‘ „Poor Things“ bewegte sich als bestechend abseitige Emanzipationsgeschichte irgendwo zwischen diesen Fraktionen, die auch einige der anderen Kategorien bestimmten. „Beste Regie“ etwa, in der besagter griechischer Filmemacher neben Martin Scorsese und Christopher Nolan Aussicht auf den Oscar hatte:
Würde die Academy bereits etablierte Urgesteine der Kinobranche ehren – oder ambitioniertere Ansätze, wie sie neben Jonathan Glazer etwa auch Justine Triet einbrachte, belohnen?
Insgesamt fühlte sich die 96. Verleihung der Academy Awards im Vorfeld wegen der vielfältigen Möglichkeiten zur Würdigung der meist mehrfach nominierten Filme wie eine Richtungswahl an: Wer würde die Oberhand gewinnen – progressiveres, oder doch bewährtes Hollywood-Kino?
Nun gibt es Antworten, die Academy hat sich entschieden. Das sind die Gewinner der 96. Oscar-Verleihung:
Bester Film
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„American Fiction“
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„Anatomie eines Falls“
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„Barbie“
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„The Holdovers“
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„Killers of the Flower Moon“
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„Maestro“
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„Oppenheimer“ ***
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„Past Lives“
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„Poor Things“
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„The Zone of Interest“
Beste Regie
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Christopher Nolan für „Oppenheimer“ ***
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Jonathan Glazer für „The Zone of Interest“
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Justine Triet für „Anatomie eines Falls“
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Martin Scorsese für „Killers of the Flower Moon“
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Yorgos Lanthimos für „Poor Things“
Beste Hauptdarstellerin
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Annette Bening für „Nyad“
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Carey Mulligan für „Maestro“
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Emma Stone für „Poor Things“ ***
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Lily Gladstone für „Killers of the Flower Moon“
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Sandra Hüller für „Anatomie eines Falls“
Bester Hauptdarsteller
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Bradley Cooper für „Maestro“
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Cillian Murphy für „Oppenheimer“ ***
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Colman Domingo für „Rustin“
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Jeffrey Wright für „American Fiction“
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Paul Giamatti für „The Holdovers“
Beste Nebendarstellerin
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America Ferrera „Barbie“
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Danielle Brooks für „Die Farbe Lila“
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Da’Vine Joy Randolph für „The Holdovers“ ***
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Emily Blunt für „Oppenheimer“
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Jodie Foster für „Nyad“
Bester Nebendarsteller
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Mark Ruffalo für „Poor Things“
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Robert De Niro für „Killers of the Flower Moon“
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Robert Downey Jr. für „Oppenheimer“ ***
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Ryan Gosling für „Barbie“
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Sterling K. Brown für „American Fiction“
Bester internationaler Film
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„Ich Capitano“ (Italien)
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„Perfect Days“ (Japan)
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„Die Schneegesellschaft“ (Spanien)
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„The Zone of Interest“ (Großbritannien) ***
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„Das Lehrerzimmer“ (Deutschland)
Bestes Originaldrehbuch
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„Anatomie eines Falls“ ***
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„The Holdovers“
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„Maestro“
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„May December“
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„Past Lives“
Bestes adaptiertes Drehbuch
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„American Fiction“ ***
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„Barbie“
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„Oppenheimer“
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„Poor Things“
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„The Zone of Interest“
Bester Animationsfilm
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„Der Junge und der Reiher“ ***
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„Elemental“
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„Nimona“
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„Robot Dreams“
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„Spider-Man: Across the Spider-Verse“
Bester Dokumentarfilm
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„Bobi Wine: The People’s President“
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„Die Unendliche Erinnerung“
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„Olfas Töchter“
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„To Kill a Tiger“
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„20 Days in Mariupol“ ***
Bester Dokumentar-Kurzfilm
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„The ABCs of Book Banning“
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„The Barber of Little Rock“
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„Island in Between“
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„The Last Repair Shop“ ***
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„Nai Nai & Wai Po“
Beste Kamera
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„El Conde“
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„Killers of the Flower Moon“
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„Maestro“
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„Oppenheimer“ ***
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„Poor Things“
Beste Filmmusik
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„American Fiction“
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„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“
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„Killers of the Flower Moon“
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„Oppenheimer“ ***
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„Poor Things“
Bester Song
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„I’m Just Ken“ (aus „Barbie“, gesungen von Ryan Gosling)
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„What Was I Made For“ (aus „Barbie“, gesungen von Billie Eilish) ***
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„The Fire Inside“ (aus „Flamin‘ Hot“, gesungen von Bob Seger)
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„It Never Went Away“ (aus „American Symphony“, gesungen von Jon Baptiste)
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„Wahzhazhe (A Song for My People)“ (aus „Killers of the Flower Moon“, gesungen von Osage Tribal Singers)
Bestes Kostümdesign
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„Barbie“
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„Killers of the Flower Moon“
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„Napoleon“
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„Oppenheimer“
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„Poor Things“ ***
Bestes Make-Up und Frisuren
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„Golda“
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„Maestro“
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„Oppenheimer“
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„Poor Things“ ***
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„Die Schneegesellschaft“
Beste visuelle Effekte
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„The Creator“
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„Godzilla Minus One“ ***
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„Guardians of the Galaxy Vol. 3“
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„Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1“
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„Napoleon“
Bester Kurzfilm
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„The After“
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„Invincible“
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„Knight of Fortune“
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„Red, White & Blue“
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„The Wonderful Story of Henry Sugar“ ***
Bester animierter Kurzfilm
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„Letter to a Pig“
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„Ninety-Five Senses“
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„Our Uniform“
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„Pachyderm“
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„War is Over! Inspired by the Music of John & Yoko“ ***
Bester Ton
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„The Creator“
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„Maestro“
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„Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1“
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„Oppenheimer“
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„The Zone of Interest“ ***
Bestes Produktionsdesign / Szenenbild
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„Barbie“
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„Oppenheimer“
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„Killers of the Flower Moon“
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„Napoleon“
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„Poor Things“ ***