Was für ein Verlust es für die Film- und Serienwelt gewesen wäre, hätte Anya Taylor-Joy sich statt der Schauspiel- tatsächlich einer sich anbahnenden Modelkarriere gewidmet, ließ sich schon bei ihrer ersten Kinorolle erahnen. Im Spielfilmdebüt von Robert Eggers, dem finsteren Folk-Horrorfilm „The Witch“ (Platz 2), verkörpert die damals noch nicht einmal 20 Jahre alte Taylor-Joy die unter dem Verdacht, eine Hexe zu sein, stehende Tochter einer streng-puritanischen Familie mit einer frappierenden Intensität.
Da verwundert es nicht, dass sie seither immer wieder in psychologisch anspruchsvollen Dramen, Thrillern und außergewöhnlichen Horrorfilmen besetzt wird. In M. Night Shyamalans an Suspense reichem „Split“ (Platz 8) war Taylor-Joy bereits ein Jahr darauf als jugendliche Außenseiterin zu sehen, die zusammen mit zwei gleichaltrigen Teenagerinnen von einem Fremden (James McAvoy) entführt wird, der augenscheinlich an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet.
Eine noch einnehmendere Präsenz konnte sie in „Vollblüter“ (Platz 6) entwickeln, einem von Corey Finley betont kühl inszenierten Thriller um zwei abgebrühte Jugendliche. Taylor-Joy spielt Lily, deren reicher Stiefvater sie in eine Besserungsanstalt schicken möchte – woraufhin sie mit Freundin Amanda (Olivia Cooke) kurzerhand den perfekten Mord plant.
Wenn Humor, dann am besten böse
Dass Anya Taylor-Joy durchaus auch in leichtherzigeren Rollen überzeugen kann, stellte sie schließlich mit „Emma“ (Platz 9) unter Beweis. In der augenzwinkernden Jane-Austen-Adaption von Autumn de Wilde übernimmt sie die Rolle der titelgebenden Heldin aus gutem Hause, die zwar keinen männlichen Heiratskandidaten als gut genug für sich selbst erachtet, allerdings leidenschaftlich gerne andere verkuppelt. Eigentlich will sie der unbedarften Harriet (Mia Goth) einen passenden Verlobten finden – bis doch eigene Gefühle ins Spiel kommen. Selbst in komödiantischen Gefilden glänzt Anya Taylor-Joy jedoch stets ein wenig mehr, wenn ihr der Raum gewährt wird, ihrem Schauspiel ein wenig Zynismus zuzuführen.
Schließlich war sie selten überzeugender als in der bissigen Satire „The Menu“ (Platz 3) von Mark Mylod. Im Film, der sowohl an den Exzessen der Haute-Cuisine als auch einer selbstgefälligen High Society, der Essen zum dekadenten Statussymbol geworden sind, scharfe Kritik übt, besticht Taylor-Joy als abgeklärte Escort-Dame. Als einziger Gast aus nicht-elitären Kreisen findet sie sich zu einem exklusiven Dinner auf einer abgelegenen Insel ein, das sich bald als Abend der großen Abrechnung entpuppt.
Stoische Unnahbarkeit als Markenzeichen
Nie aber hinterließ Anya Taylor-Joy einen derart bleibenden Eindruck wie als suchtgeplagtes Schachgenie Elizabeth Harmon. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Walter Tevis, erzählt „Das Damengambit“ (Platz 1) eine tiefschürfende Entwicklungsgeschichte einer (fiktiven) jungen Frau, die im Waisenhaus aufgewachsen ist, bald ebenso mit Tabletten- und Alkoholabhängigkeit wie Einsamkeit zu kämpfen hat, und im Schach gleichermaßen eine Stütze wie eine weitere Manie findet, die ihre anderen Süchte weiter befeuert.
Taylor-Joy verleiht der verschlossenen Protagonistin bei aller stoischen Unnahbarkeit ein emotionales Gewicht, sodass die kunstvoll arrangierte, von einer feministischen Grundhaltung durchzogene Miniserie trotz der rund 300 Partien, die im Laufe der sieben Episoden zu sehen sind, bis zuletzt spannend bleibt.
Auf ganz ähnliche Weise überzeugt die Schauspielerin nun in „Furiosa: A Mad Max Saga“ (Platz 4): Auch wenn der neueste Zuwachs in George Millers anarchistischem Kosmos redseliger daherkommt als noch die anderen „Mad Max“-Teile, kommt Anya Taylor-Joy im Prequel zu „Fury Road“ nur selten zu Wort. Dass die Vorgeschichte der damals noch von Charlize Theron gespielten Imperatorin dennoch alles andere als kalt lässt, ist auch ihrem besonderen Talent geschuldet, selbst mit wenig Text viel zum Ausdruck zu bringen.