Von apokalyptischen Wüstenlandschaften, über diabolische Kleinstädte, bis hin zu tanzenden Pinguinen und sprechenden Schweinchen: Kaum ein Regisseur des zeitgenössischen Kinos kann auf eine derart facettenreiche Filmografie zurückblicken wie George Miller. Sein Werk, das sich bereits über fünf Dekaden erstreckt, umspannt eine überraschende Bandbreite an Genres.
Geboren 1945 in Australien, arbeitete Miller nach einem Medizinstudium zunächst mehrere Jahre als Unfallarzt, ehe er sich dem Filmgeschäft zuwandte – eine Entscheidung, die nicht zuletzt die Welt des Actionkinos nachhaltig verändern sollte.
Gleich mit seinem Langfilmdebüt gelang ihm 1979 der Durchbruch. Gleichsam legte es den Grundstein für eine ikonische Filmreihe, für die er bis heute zuallererst bekannt ist: Der dystopische Actionfilm „Mad Max“ (Platz 6) verhalf nicht nur Mel Gibson zu weltweiter Bekanntheit und dem australischen Kino zu ungekannter Aufmerksamkeit. Das Filmuniversum um eine finstere Zukunft, in der die Natur bereits zerstört ist und provisorisch-protzige Autos, Bikes und Trucks zu Götzen geworden sind, hat das Genre nachhaltig geprägt. Waghalsige Stunts, bombastische Explosionen und mitreißende Verfolgungsjagden wurden als Motive darin salonfähig.
Der unerwartete Erfolg des mit nur geringem Budget produzierte „Mad Max“ führte zu zwei ebenso gefeierten Fortsetzungen in den 1980er Jahren – „Mad Max II – Der Vollstrecker“ (Platz 2) und „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ (Platz 5) – die Millers Ruf als Meister des Actionkinos festigten. Der hinderte ihn jedoch nicht daran, daraufhin gänzlich andere filmische Wege zu bestreiten.
Vom Actionpionier zum Familienfilmmeister
Die nächste Regiearbeit des auch als Produzenten tätigen Filmemachers war eine Adaption des mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Romans „Die Hexen von Eastwick“ (Platz 4) von John Updike. Die Horrorkomödie um drei Außenseiterinnen, die sich zuerst nicht gewahr sind, dass sie magische Kräfte besitzen, beschwören versehentlich den Teufel herauf. Dank spaßiger Prämisse und einem herausragenden Cast (Cher, Michelle Pfeiffer, Susan Sarandon und Jack Nicholson) blickt man gerne über das Übermaß an Inszenierungswut, überbordenden Effekten und aufwendigen Sets im letzten Drittel des Filmes hinweg.
Bereits mit seinem nächsten Werk, dem von einer wahren Begebenheit inspirierten Drama „Lorenzos Öl“ (Platz 9) bewies George Miller allerdings, dass er durchaus auch zur feinsinnigen Inszenierung weltlicher Themen im Stande ist. Der 1993 für zwei Academy Awards nominierte Film erzählt vom unermüdlichen Engagement der Eltern eines an einer seltenen, tödlichen Krankheit leidenden Sohnes, die in Eigenregie nach einem Heilmittel suchen.
Trotz des positiven Zuspruchs folgte für Miller danach schon der nächste radikale Genrewechsel: Nachdem er beim Kinderfilm „Ein Schweinchen namens Babe“ als Produzent in Erscheinung trat und am Drehbuch mitarbeitete, übernahm er in der Fortsetzung „Schweinchen Babe in der großen Stadt“ (Platz 8) auch die Regie. Für den Mut, trotz kindlicher Zielgruppe von realen Missständen, wie etwa Obdachlosigkeit, zu erzählen, wurde der Film zu Unrecht kritisiert. Zwar ist der zweite Teil der Erzählung um das sprechende Schweinchen tatsächlich deutlich schwerer geraten als noch sein Vorgänger. An Wärme hat er dabei allerdings nicht eingebüßt – im Gegenteil.
Miller blieb dem Familienfilm über die folgenden Jahre treu, und erschuf mit „Happy Feet“ (Platz 10) seinen ersten vollständig computeranimierten Film. Die Geschichte um einen Kaiserpinguin, der anders als seine Artgenossen nicht „singen“ kann und stattdessen steppt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, war nicht nur ein enormer finanzieller Erfolg. Erneut beeinflusste Miller ein Genre nachhaltig: Der Animationsfilm gehört zu den ersten, in der große Musikeinlagen mit Variationen beliebter Popsongs den Plot durchziehen.
An den Erfolg des ersten Teils, der 2007 mit dem Oscar in der Kategorie „Bester animierter Spielfilm“ ausgezeichnet wurde, konnte „Happy Feet 2“ (Platz 11) als orientierungslos wirkende Fortsetzung allerdings nicht anschließen.
Zurück zu den Wurzeln: Anarchisches Erzählen
Ganze 30 Jahre später sollte sie schließlich folgen, die triumphale Rückkehr zu dem Stoff, der George Miller einst bekannt machte. „Mad Max: Fury Road“ (Platz 1) überzeugt nicht nur mit atemberaubender Action der Superlative, sondern schafft es, trotz eines wortkargen Skripts, eine bestechende feministische Grundhaltung einzunehmen. War „Fury Road“ bereits ein Zeugnis seiner Fähigkeit, althergebrachte Erzählungen neu zu beleben, ist „Furiosa: A Mad Max Saga“ (Platz 2) der bestechende Beweis, wie gut es ihm gelingt, unaufdringlich relevante gesellschaftliche Themen in mitten von Actionbombast anzusprechen. Oder besser, visuell zu verhandeln. Denn auch das macht George Miller aus: Die Fähigkeit, Mitreißendes zu erzählen, ohne dafür vieler Worte zu bedürfen. Dieses Mal steckt in der Dystopie sogar ein wenig Hoffnung.
Egal in welchem Genre sie jeweils zuhause sind: Millers Filme sind letztlich auch immer als eine Hommage an die Kraft der Geschichten zu verstehen. Nie wurde das deutlicher als in „Three Thousand Years of Longing“ (Platz 7). Im Fantasy-Drama, das von stoischen Narratologin (Tilda Swinton) und ihrer Begegnung mit einem Dschinn (Idris Elba) handelt, geht es letztlich um die Macht des Erzählens und seiner ungebrochenen Bedeutung. Geschichten sind es, die uns Halt geben und Ordnung in das Chaos bringen können. Selbst dann, das hat der „Mad Max“-Regisseur mit Verve bewiesen, wenn diese Geschichten zuvörderst Anarchie atmen.